Wiedersehen mit Brideshead: Die heiligen und profanen Erinnerungen des Hauptmanns Charles Ryder (German Edition) by Waugh Evelyn

Wiedersehen mit Brideshead: Die heiligen und profanen Erinnerungen des Hauptmanns Charles Ryder (German Edition) by Waugh Evelyn

Autor:Waugh, Evelyn [Waugh, Evelyn]
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: Klassiker
ISBN: 9783257603439
Herausgeber: Diogenes Verlag AG
veröffentlicht: 2013-09-24T22:00:00+00:00


3

Im Frühling 1926 kehrte ich wegen des Generalstreiks nach London zurück.

Es war ein großes Thema in Paris. Die Franzosen, die wie üblich über die Probleme ihrer ehemaligen Freunde jubelten, übersetzten unsere eher vagen Konzepte auf dem Weg über den Ärmelkanal in ihre eigenen festen Begriffe und prophezeiten Revolution und Bürgerkrieg. Jeden Abend lasen wir an den Zeitungskiosken unheilvolle Schlagzeilen, und in den Cafés begrüßten mich Bekannte mit Spott: »Na, mein Freund, hier hast du es besser als zu Hause, nicht wahr?«, bis nicht nur ich, sondern auch einige meiner Studienfreunde ernsthaft glaubten, dass unser Land in Gefahr war und wir verpflichtet seien, ihm zu Hilfe zu eilen. Ein belgischer Futurist schloss sich uns an, der den vermutlich angenommenen Namen Jean de Brissac la Motte trug und das Recht beanspruchte, bei jedem Kampf gegen die unteren Klassen zur Waffe zu greifen, egal, wo.

Wir setzten gemeinsam über, eine übermütige Gruppe, ausschließlich Männer, die erwarteten, dass sich in Dover die Geschichte vor uns entfalten werde, wie sie sich in jüngster Zeit in ganz Europa überall ganz ähnlich abgespielt hatte. Ein klares, festes Bild von der »Revolution« hatte sich in meinem Kopf festgesetzt – die rote Flagge auf dem Postamt, die umgestürzte Straßenbahn, betrunkene Unteroffiziere, gestürmte Gefängnisse, Banden von freigelassenen Verbrechern, die durch die Straßen strichen, und der Zug aus der Hauptstadt, der nicht kam. Man hatte es in den Zeitungen gelesen, in Filmen gesehen, seit sechs oder sieben Jahren immer wieder an den Kaffeehaustischen gehört, bis es ein Teil der eigenen Erfahrung geworden war, wenn auch aus zweiter Hand, so wie der Schlamm in Flandern und die Fliegen in Mesopotamien.

Dann landeten wir, und es war alles wie immer: Zollbaracken, ein pünktlich einfahrender Zug, Träger am Bahnsteig von Victoria Station und eine lange Schlange wartender Taxis.

»Wir trennen uns und sehen uns mal um«, sagten wir. »Zum Abendessen treffen wir uns wieder und vergleichen unsere Beobachtungen«, aber da wussten wir im Grunde schon, dass gar nichts passieren würde, auf alle Fälle nichts, was unserer Gegenwart bedurfte.

»So, so«, sagte mein Vater, als er mir zufällig auf der Treppe begegnete, »wie schön, dich so rasch wiederzusehen.« (Ich war seit etwa fünfzehn Monaten im Ausland.) »Aber du bist zu einem sehr ungünstigen Zeitpunkt gekommen, weißt du? In zwei Tagen soll erneut gestreikt werden – was für ein Humbug –, und wer weiß, ob es dann nicht schwierig für dich wird, hier wieder wegzukommen.«

Wenn ich an den Abend dachte, der mir entging, mit den Lichtern, die an den Ufern der Seine aufflammten, und der Gesellschaft, die ich dort gehabt hätte – damals war ich viel mit zwei emanzipierten Amerikanerinnen zusammen, die gemeinsam eine garçonnière in Auteuil bewohnten –, wünschte ich, ich wäre nicht gekommen.

An diesem Abend aßen wir im Café Royal. Dort sah es schon mehr nach Krieg aus, denn das Café war voller Studenten, die sich freiwillig zum »National Service« gemeldet hatten. Eine Gruppe aus Cambridge hatte sich am Nachmittag verpflichtet, Botengänge fürs Transport House zu übernehmen, wo die Streikführung ihren Sitz hatte. Ihr Tisch stand direkt hinter dem einer anderen Gruppe, deren Mitglieder als Hilfspolizisten angeheuert worden waren.



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